Freitagabend, saftige Wiesen, grasende Schafherden, Schwalben drehen zwitschernd ihre Runden, Ruhe pur in einem idyllischen Dorf.
Plötzlich der Notruf „Explosion unbekannter Ursache in der Dorfmitte, unklare Anzahl von Verletzten“. In kürzester Zeit sind Feuerwehr, Rettungsdienst und THW mit Blaulicht und Sirene angerückt. Zwei Atemschutzträger der Feuerwehr messen den Sauerstoffgehalt der Luft, erkunden die Lage: altes fränkisches Dorf mit typisch enger Bauweise, teils verwinkelter Straßen, Zufahrten sind blockiert.
Innerhalb weniger Minuten gehen 20-30 Anrufe bei der Leitstelle ein.
So stellte sich die erste Großschadenslage zum Beginn der 3-tägigen Übung der Schweinfurter Katastrophenschutzeinheiten aus THW, Feuerwehr, Johanniter Unfallhilfe sowie ASB auf dem Übungsgelände der Bundeswehr, dem Übungsdorf Bonnland, dar. Weitere Teilnehmer an der Übung sind die Ortsverbände des THW Gerolzhofen, Mellrichstadt und Berchtesgadener Land sowie ein
5-köpfiges Notärzte Team. Insgesamt befanden sich 179 Rettungskräfte und 34 Einsatzfahrzeuge auf dem Gelände.
Das Zusammenspiel der verschiedenen Hilfs- und Rettungseinheiten wird für den Notfall geprobt. „Fehler, die wir hier begehen, vermeiden wir im Realeinsatz“, so Harald Lotter, Ortsbeauftragter des THW Schweinfurt und Hauptverantwortlicher der Bonnland-Übung.
Atemschutzträger der Feuerwehr stellen fest: kein vermuteter Gasaustritt. Löschen, Eindringen in das Gebäude, Retten einer Person. Währenddessen erkunden der Gruppenführer der FW und des nachalarmierten Bergungstrupps des THW die weitere Lage: ein Verkehrsunfall mit einer eingeklemmten Person. Die Person befindet sich in einem Auto auf dessen Vorderdach ein weiteres Auto aufliegt. THW stabilisiert das aufliegende Auto mit Leitern, so dass es sich nicht bewegen kann währenddessen weitere Helfer des THW den Kofferraum mit dem Hydraulikspreizer öffnen, so dass die eingeklemmte Person mit Hilfe des ASB herausgezogen werden kann. Die Betreuung des Verletzten währen den Vorbereitungsarbeiten zur Rettung übernimmt eine Helferin der Johanniter Unfallhilfe.
Doch plötzlich weitere Funkrufe der Einsatzleiter: oberhalb des brennenden Hauses und des VU Einsturzgefahr eines weiteren Hauses durch die Explosion mit darin befindlicher Person, daneben eine weitere brennende Scheune mit 3 darin befindlichen Personen, darunter 1 Kind, unterhalb an der Hauptstr. eine von einem Baufahrzeug überrollte Person, eine Person fiel bei Arbeiten an einem Kanal durch die Erschütterung 5 Meter in die Tiefe, eine weitere Person wird vermisst.
All dies gilt es zu koordinieren. Die 3-köpfig besetzte Führungsstelle-Bonnland hat alle Hände voll zu tun: sie koordinieren die Facheinheiten, führen Einsatztagebuch über die Rückmeldungen müssen Einsatzkräfte nachordern, sind für die komplette Logistik zuständig, worunter auch Verpflegung, Sanitäranlagen etc. fallen.
Die Räumlichkeiten der Führungsstelle sind der Führungs- und Kommunikationskraftwagen sowie der Führungs- und Lage-Anhänger (FüLa). Über ersteren laufen alle ein- und ausgehende Funkmeldungen. Im Vollbetrieb sitzen hier 6 Mann, die zudem verantwortlich für die Nachforderung von Einsatzkräften sind. Der FüLa ist im Einsatzfall mit bis zu 12 Personen besetzt.
Zum weiteren Ablauf: eine weitere Einheit der Feuerwehr übernimmt das Löschen der brennenden Scheune, nach Absprache der Einheitsführer von THW und FW ein weiterer Einsatz für die Feuerwehr. Das Bergen eines in den Schacht gestürzten Arbeiters, nach Messen der Sauerstoffkonzentration . Das THW sperrt den Zugang zum absturzgefährdeten Haus, baut mit dem EGS (Einsatz-Gerüstsystem) die Abstützvorrichtung auf. Zwei mit Sicherungsgurten (Persönliche Sicherung gegen Absturz PSAgA) bekleidete Helfer dringen in das Gebäude ein und retten 2 Erwachsene und 1 Kind durch das Fenster im Obergeschoss, einen davon mit Trage. Ein weiterer Trupp stößt dazu und transportiert über weite Strecke die Verletzten von der nicht befahrbaren Dorfmitte zu den Rettungswägen.
Die auf der unteren Straße des Dorfes von der Baumaschine überrollte Person wird von einer Bergungsgruppe des THW geborgen. Durch Unterbauen mit Holz und mit Hebekissen, die durch einen Kompressor mit Luft befüllt werden, wird die Baumaschine angehoben.
Eine vermisste Person wird durch eine sog. Flächensuche im benachbarten Waldstück aufgefunden.
Beobachtet werden sowohl die Erkundungen durch die Einheitsführer als auch die Abläufe der Löschmaßnahmen, Rettungen und Bergungen durch Harald Lotter und Thomas Stengel (Ortsbeauftragte THW Schweinfurt und Gerolzhofen) und Stellvertreter Timo Zellmer sowie dem Führer des technischen Zuges Julian Knaup. Seitens der Feuerwehr übernehmen diese Aufgaben Florian Körblein (Stadtbrandinspektor) und Robert Sims.
Federführend für die Szenarien am Samstag waren Michael Münch, Timo Zellmer, Julian Knaup und Florian Körblein sowie Stadtbrandrat Martin Schneier. Die Beobachtung für den Rettungsdienst haben Marcus Roßband, Leon Huppmann und Matthias Neuhöfer übernommen.
Nach den Einsätzen werden sämtliche diversen Lagen besprochen, was ist gut gelaufen, was ist verbesserungswürdig. Gut, dass es die Möglichkeit gibt, solche Szenarien zu üben um für den Ernstfall gewappnet zu sein. Denn wie schon ein altes Sprichwort sagt: Aus Fehlern lernt man.
BW: Auch seitens der Bundeswehr wird es als wichtig und richtig erachtet, die staatlich vorhandenen Anlagen auch für nicht Bundeswehrkräfte, welche für Sicherheit, innere Ordnung und Katastrophen-schutz in der BRD zuständig sind, bereit stellen zu können. „Nur gemeinsam können wir den Aufgaben nachkommen. Da für uns der Schwerpunkt natürlich in der militärischen Nutzung liegt, ist es nur bei freien Kapazitäten möglich, eine Organisation wie das THW einplanen zu können“ so Jörg Göbel, stv. Kommandant“. Bisher ist die Zusammenarbeit jedoch immer sehr reibungslos und konstruktiv gewesen.
Zur Herstellung der Einsatzbereitschaft werden nach den Einsätzen wieder alle Gerätschaften ordnungsgemäß in die Fahrzeuge verstaut und zum gemütlichen Kameradschaftsabend übergegangen wohlwissentlich, dass der nächste Tag nicht weniger anstrengend wird.
Am Samstag beginnt der Tag um 7 Uhr: Frühstück, fertig machen für den Einsatz. Am Vormittag üben die einzelnen Organisationen eigenständig. Sei es Retten aus Höhen und Tiefen (THW) oder Simulation eines Verkehrsunfalles (Rettungsdienste und Notärzte). Die Jugend der THW Ortsverbände Schweinfurt und Gerolzhofen retten vermisste Person aus einem Grubensystem, behindert durch einen schwer überwindbaren Graben von ca. 3m Länge, einer verkeilten Tür und schlechten Lichtverhältnissen. Das Erlernte wird angewendet: Binden von Knoten, Herstellen von
Stegen, Ausleuchten von Räumen unter Zuhilfenahme eines Stromaggregates, Anwenden von Sägen, Hämmern, Beilen, Erkunden des Tunnelsystems, Retten der Person mit Hilfe einer Bergeschleppe, Umbetten des Verletzten in einen Schleifkorb, Sichern des Verletzten mit Leinen und Knoten, das richtige transportieren der Trage durch enge Türen, Kommandogebung und die Umsetzung des Führungsvorgangs zum strukturierten lösen von schwiergen Aufgaben. Die Mädchen und Jungs waren mit vollem Eifer dabei. Bedingt durch die Hitze ließ natürlich die Konzentration nach was sie aber nicht davon abhielt, mit dem Ausbilder die einzelnen Situationen zu besprechen und aufgetretene Fehler nochmals durchzuspielen. Respekt!
Nach dem gemeinsamen Mittagessen durfte Harald Lotter Vertreter aus Politik, der Leitung des Katastrophenschutzes, Polizei, des Landes- und Feuerwehr sowie den Kommunen als Ehrengäste begrüßen. Stellvertretend seien genannt: Staatssekretär Gerhard Eck MdL, Landrat Florian Töpper, Referatsleiter der Stadt Schweinfurt Öffentliche Sicherheit und Ordnung Jan von Lackum, Kreisbrandrat Holger Strunk, Jochen Englisch und Werner Rohde vom Kreisverbindungskommando der Bundeswehr. Marco Erhard von der Polizei Schweinfurt. Andreas Oesterreich und Sven Christofori vom Katastrophenschutz der Stadt Schweinfurt. Steffen Engert dem neuen Sachbearbeiter Einsatz der THW Regionalstelle Bamberg.
Eck Eck betonte die Wichtigkeit der Blaulichtorganisationen, wo auch Innenminister Joachim Herrmann mit konformgeht. Jedoch wisse man auch um die Ausstattungsdefizite, die jedoch in den nächsten 5-6 Jahren durch das Land Bayern, das wirtschaftlich gut dasteht, ausgeglichen werden sollen. „Doch was nützt alles Geld, wenn die innere Bereitschaft in Not geratenen Mensch zu helfen, keine ehrenamtlichen Helfer da wären“. Eck bedankte sich ausdrücklich bei allen Ehrenamtlichen für Ihren Einsatz und auch für die geopferte Freizeit, die vielen anderen wichtiger ist als ein Ehrenamt. Sein Grußwort endete mit dem Wunsch, dass jeder Helfer immer unfallfrei aus den Einsätzen zurückkehren möge.
Landrat Florian Töpper schloss sich den Worten uneingeschränkt an und betonte die stets reibungslose und unbürokratische Zusammenarbeit innerhalb der Organisationen aber auch mit den Kommunen.
Danach machten sich alle Einheiten zum zweiten Großschadensszenario bereit. Diesmal mit teils echten „Verletzten“ die von einem Team Johanniter Unfallhilfe unter der Leitung von Margot Dürr und Urban Hart realitätsnah geschminkt wurden. Mit dabei u.a. eine Hochschwangere. Die Übungsvorbereiter verteilten die Darsteller wie auch die Dummies an die entsprechenden Orte, natürlich ohne dass die Helfer etwas mitbekamen. Sie befanden sich an den Fahrzeugen außerhalb des Bonnlands auf dem Parkplatz.
Der Notruf „Staubexplosion im Ortskern durch Zementfahrzeug, dadurch verursachter Verkehrsunfall mit mehreren Fahrzeugen.“ Beim Anfahren der Feuerwehr wird noch ein brennendes Haus sowie ein einsturzgefährdetes Haus (diesmal jedoch größer als am Vortag) mit vermissten/verletzen Personen nachgemeldet.
Nachalarmiert werden sofort Rettungsdienste und THW und. Die 3 Leiter der Organisationen erkunden die Lage. Es wird deutlich, dass Einheiten nachgeordert werden müssen, sowohl der 3 vor Ort-Organisationen als auch ein Notärzteteam. Die Feuerwehr kümmert sich um das Löschen des Brandhauses sowie der Rettung der Vermissten.
Ruhig und konzentriert erkunden 3 Gruppenführer des THW und der Einsatzleiter Rettungsdienst des JUH die Lage der Verkehrsunfalls: Ein Baufahrzeug mit im 90-Grad-Winkel verkeiltem Anhänger, hierin weiter aneinander, seitlich und frontal verkeilte Autos, wobei auf dem Dach des letzten PKW ein Tankanhänger schräg aufliegt. Hochschwangere in einem der Autos, Verletzter, fast nicht sichtbar, unter dem mittleren Auto liegend, 1 Toter, 1 Person mit Erstickungsanfällen.
Weitere Personen, ein paar Meter vor der Hauptkarambolage, am Straßenrand liegend aus den Autos geschleudert, 1 Person von Mähdrescher überrollt und darunter eingeklemmt, in einem benachbart stehenden Auto Fahrer und Beifahrer eingeklemmt aber ansprechbar.
Das Notärzteteam geht nach dem sog. Sichtungskonzept vor und „markiert“ die Verunfallten: Ihnen werden Schilder mit den Farben rot (Priorität 1, sofortige Versorgung), gelb (Priorität 2), grün (Verletzter kann sich bewegen, sprechen), blau (in Kürze mit dem Ableben zu rechnen) und schwarz (Exitus) zugeordnet.
Seitens des THW werden die Unfalllagen nach und nach abgearbeitet. Trupp 1 hebt mit Hilfe von Hydraulikpressen den Mähdrescher an und birgt die überrollte Person. Im Anschluss geht dieser Trupp weiter zum danebenstehenden Auto und öffnet mit Hilfe des Hydraulikspreizers die Türen, um die eingeklemmten Personen zu bergen, die in der Zwischenzeit von 2 THW-Helfern betreut wurden.
Trupp 2 des THW kippt mit Hilfe von Seilwinden den aufliegenden Tanker auf die Räder, und „entzerrt“ die eingeklemmten Fahrzeuge, um die Verletzten bergen zu können.
Der 3. Trupp des THW baut ein Fassaden-Abstützsystem auf. Da das Haus größer und höher ist als am Vortag wird hier mit mehreren Gerüstsätzen angefahren. Aufgrund der Ablademenge vom Anhänger kommt auch der mitgeführte Gabelstapler zum Einsatz. Nachdem das EGS bis zum 1. OG steht, erfolgt ein kurzer break. der Gruppenführer des THW Berchtesgaden Land schiebt eine theoretische Schulung dazwischen: er erklärt genau, wie die Zugkräfte des Gerüstes wirken, wie die Schubkräfte des Hauses auf das Gerüst wirken, warum Streben nicht nur diagonal, sondern über Kreuz ins Gerüstsystem eingebaut werden, warum Fensteröffnungen im Erdgeschoss mit Gurten am Gerüst verzurrt werden bevor weitere Etagen gebaut werden, was bei den unterschiedlichen Hausbauweisen mit Holz, Ziegelsteinen oder Mauerwerk und mit Außendämmung versehene Häuser beachtet werden muss.
Es gäbe noch viel mehr zu berichten, doch alles in allem waren es rundum gelungene Übungen mit konstruktiven Nachbesprechungen. Man einigte sich darauf, auf jeden Fall im nächsten Jahr die Bonnland-Übung zum 13. Mal zu wiederholen.
Denn fragen Sie sich: Was wäre, wenn ich in einer der beschriebenen Lage wäre. Was wäre, wenn keiner zum Helfen käme. Bliebe ein Familienmitglied dadurch vermisst oder wäre gar gestorben? Wäre mein Haus dann völlig abgebrannt? Wir gehen zurück auf Anfang und genießen das Vogelzwitschern.
Rettungskräfte im Bonnland – Blaulichter inszenieren Großschadenslagen
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